Mainzelbahn im Pech       Mail vom 1.1.2018

Versuch einer Analyse von Hartmut Rencker

Sehr geehrte Frau Eder,

ob man bei 12 Unfällen, davon einer tödlich, wirklich von Erfolgsmodell sprechen kann, darf bezweifelt werden. Damit die Elektrisch, wie alte Mainzer sagen, wegen der vielen Haltestellen nicht gar zu viel langsamer ist als der Bus, muss diese trotz Verlängerung der Fahrplanzeit um 4 Minuten immer noch heizen, dass die Späne fliegen. Der Radsatzverschleiß auf der kurvenreichen Buckelpiste ist enorm. Unrund verschlissenen Räder mit "Bremsplatten" sind die Folge.
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Die Unfallhäufung gibt zu denken, auch wenn offiziell kein Handlungsbedarf gesehen wird. Formal sind bisher immer die Unfallbeteiligten schuld gewesen. Man sollte weder eine Ampel noch ein Andreaskreuz übersehen. Die Streckenführung mit zahllosen "unbeschrankten Bahnübergängen" ist einfach gefahrgeneigt. Fatal sind die toten Ampeln ohne Grün, vor allem dann, wenn Fahrbahn und Gleiskörper parallel verlaufen und Autofahrer abbiegen wollen. Die Autofahrer verlangsamen und gleichzeitig kommt von hinten eine beschleunigende Straßenbahn und schon kracht es, nicht immer, aber zu oft. Auch weichen die Sparampeln von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ab, die gelb-rotes Wechsellicht oder rotes Blinklicht vorschreibt.
Foto kann groß abgerufen werden

Im Vorbeifahren stellen die toten Sparampeln eine Falle dar, weil diese ohne zuvor Aufmerksamkeit ausgelöst zu haben, auch bei plötzlichem ROT in der eher bewegungssensiblen Peripherie der Retina kein starkes Signal setzen und deshalb vom Sehzentrum nicht zuverlässig registriert werden. Das waren nicht alle Rotlicht-Rambos. Auch der tödlich verunglückte Fahrradschieber dürfte zum Opfer dieser typischen Unaufmerksamkeit geworden sein. Die gut gemeinten Stangensperren sind so eng, dass nur Akrobaten diese fahrend umkurven können. Beim Durchfädeln achtet man mehr auf das Labyrinth als auf eine nur zeitweise aktive Ampel. Auch der ehemalige Polizeileiter Zeuner und der ehemalige Ortsvorsteher gehören zu den Kritikern und Opfern.

Wie unpräzise der Mensch sieht, ist kaum einem bewusst. Sehen Sie Ihren Blinden Fleck? Und wie eng umgrenzt das scharfe Makula-Sehen ist, kann man am Fernseher erleben. Es ist nicht möglich, dem Bild und einem Schrift-Laufband gleichzeitig zu folgen. Der Rest ist einfach weg. Dazu kommt noch, dass das äußere Sehfeld statische Eindrücke nicht registriert, weil dieses als Mittel der Gefahrenerkennung auf Erkennen von Bewegungen ausgelegt ist. Unsere Augen folgen archaischen Notwendigkeiten und sind nicht für die Neuzeit ausgelegt. Im Alltag nimmt man diesen Mangel nicht wahr, weil das Auge lediglich ein Sensor ist und das Gehirn dann nach vorgegebenen Mustern ergänzt und interpretiert, wie das jeder schon bei den bekannten optischen Täuschungsexperimenten getestet hat.

Auch wenn die Strecke formal wohl in Ordnung ist, wurden die sehphysiologischen Wahrnehmungsmängel leider nicht bedacht. Auf dem Lerchenberg gibt es auch nach der von mir durchgesetzten Korrektur der Ampelschaltung am ehemaligen Kreisel immer noch das Kuriosum, dass es an wenig genutzten Fußgängerquerungen teilweise Ampeln mit Grün gibt, an den Gefahrenstellen aber nur Sparampeln ohne Grün. Das fördert zusätzlich das häufige Übersehen. Natürlich führt nicht jedes Übersehen zum Unfall.

Praktikable Lösungen für die "unbeschrankten Bahnübergänge" weiß ich auch nicht, außer Aufrüstung der Sparampeln. Das würde das Unfallrisiko auf jeden Fall reduzieren. Schranken wären innerstädtisch schon sehr kurios, sollten aber an der unglücklichen Querung der Koblenzer Straße bedacht werden. Ob Baken im Vorfeld helfen, sei dahin gestellt.

Viele Grüße

Hartmut Willibald Rencker