Vortrag von Hartmut Rencker zur Montagsdemo am 8.Mai 2017

Guten Abend meine lieben Freunde, sagte schon Bernhard Grzimek und nie hat sich eine Frau ausgegrenzt gefühlt. Ich will es auch so unkompliziert lassen.

Das aktuelle Gezerre um die ach so schlimmen Dieselstinker war für mich Anlass zu einem etwas längeren Leserbrief (www.lerchenberg-info.de/presse/20161224-az-lb-stickoxide.pdf ), den ich zum Hauptthema meines Vortrags machen will. Es wird ganz unpolitisch und unjuristisch aber ziemlich naturwissenschaftlich. Ich hoffe, dass ich das allgemeinverständlich hinkriege.

Ich darf vorausschicken, dass allgemein bekannt ist, dass es Luftsauerstoff und Luftstickstoff nur im molekularen Doppelpack gibt, also O2 und N2.

Wer in der Schule aufmerksam war, weiß, dass der böse Luftstickstoff ein gutmütiger, träger Geselle ist, der mit nichts freiwillig reagieren mag, deshalb auch der hohe Anteil in der Atmosphäre. Nur unter extremen Bedingungen lässt sich Luftstickstoff in eine Verbindung zwingen, auch als Haber-Bosch-Verfahren oder Ammoniaksynthese bekannt. Auch ohne diese Tricks entstehen bei jedem Verbrennungsprozess Stickoxide, besonders reichlich bei hohen Verbrennungstemperaturen und hohem Druck, also vor allem in Flugzeugtriebwerken und Dieselmotoren. 

Zur Klarstellung: Zwischen Benzin- und Dieselmotoren bzw. Flugzeugtriebwerken besteht ein fundamentaler Unterschied. Beim Benzinmotor wird ein exakt ausgewogenes Gemisch an vergastem Benzin und Luft gezündet. Jedes Sauerstoffmolekül wird verbraucht. Und weil der Luftanteil so knapp bemessen ist, reicht es oft nicht ganz und es entsteht neben CO2 auch das giftige CO (Kohlenmonoxid).

Ganz anders ist das bei den Selbstzündern, also Diesel und Flugzeugtriebwerken. Hier gibt es Luft in Fülle, weitaus mehr als zur Verbrennung notwendig ist. Der Luftüberschuss ist aber Voraussetzung zur Selbstzündung, die dadurch erreicht wird, dass das Überangebot an Luft ordentlich komprimiert und damit erhitzt wird. Beim Diesel wird das durch hohe Kompression erreicht, beim Flugzeugtriebwerk durch eine Verdichterturbine. Die Erhitzung kennen wir von der sich erwärmenden Fahrradluftpumpe. Deren Erwärmung beruht nicht auf Reibung sondern auf Kompression.

Es wird beim Verbrennungsprozess also die meiste Luft nur stark erhitzt durchgeschoben. Unter diesen Bedingungen kann sich der Luftstickstoff nicht mehr einer Reaktion mit dem Luftsauerstoff erwehren und wird zum Teil in eine widernatürliche Zwangsehe geprügelt. Die so entstehenden Stickoxide sind instabil und zerfallen alsbald von selbst in das stabile N2 und einsame Sauerstoffatome, auch Freie Radikale genannt, die sich sofort einen Leidensgefährten suchen und zum stabilen O2 oder zum instabilen O3 (Ozon) zusammenpacken. Damit ist die Welt wieder in Ordnung. Allerdings hat es das Freie Radikal (O1) sehr eilig und krallt sich, was es kriegen kann. Im Massengeschäft kann das auch mal das falsche Zielobjekt sein, also kein Geschwisterchen des gleichen Schicksals sondern ein biologisches Molekül. Das ist ein völlig natürlicher Vorgang, der sich auch im Energiehaushalt jeder Körperzelle in verträglichen Dimensionen abspielt.

Die Unmengen an Verbrennungsgasen unserer Technik sind im Lebensplan der Natur nicht vorgesehen und deshalb reichen die natürlichen Abwehrmechanismen nicht aus. Da man im Verbrennungsprozess das Entstehen von Stickoxiden nicht verhindern kann, geht es alleine darum, deren Zerfall trickreich zu beschleunigen, also noch im Auspuffstrang. Das ist kompliziert und teuer und kostet wiederum Energie. Bei Bodenfahrzeugen gelingt das einigermaßen aber bei Flugzeugtriebwerken lässt sich weder ein Filter noch ein Katalysator einbauen, weil der unbehinderte Abgasstrahl elementar für den Vortrieb ist. Ein sauberes Flugzeug würde erst gar nicht abheben. Und alle Visionen von technischen Verbesserungen können keinen wirklichen Durchbruch bringen, abgesehen von  Gewichtsreduzierung und besserer Energieausnutzung.

Auch ohne menschliches Zutun hat die Natur Kompensationsmechanismen erfunden wie z.B. die sich als Radikalenfänger aufopfernden Vitamine C und E. Einziges Problem ist menschgemachte Menge, der die Natur nicht Herr werden kann. Dabei gibt es viele Hebel, dem entgegen zu wirken, auch im eigenen Verhalten und das ohne dass es weh tut. Also nicht zum Weihnachtsshopping nach New York fliegen, weniger mit dem Stadtpanzer zum Bäcker oder Friseur fahren, kein italienisches Billigwasser oder eingeflogene Avocados kaufen, also weniger verbrennen, auch auf den Transportwegen. Erst vor wenigen Tagen habe ich selbst gesündigt und mir einen billigen Fuß für einen Sonnenschirm gekauft, aus poliertem Granit, sicherlich indischer oder chinesischer Herkunft und mit schwerölbetriebenem Frachter um die halbe Welt gefahren. Und aktuell macht Aldi Werbung für  ÖKO-Karotten aus Israel, gezogen mit den letzten Tropfen Jordanwasser.  Nicht weniger Dreck als Containerschiffe verblasen die gigantischen Kreuzfahrtdampfer. Die schlimmsten Dreckschleudern sind übrigens die Braunkohlekraftwerke. Deren Strom für Elektromobilität zu nutzen, ist mehr als bedenklich. In Wahrheit werden die Emissionen nicht verringert sondern nur verlagert, also Floriansprinzip. Denn der Strom, der aus der Steckdose kommt, ist ein nicht zu differenzierendes  Konglomerat unterschiedlicher Herkunft. Und derjenige, der so anständig ist, ÖKO-Strom zu fördern und dafür einen Cent mehr zu bezahlen, subventioniert im Ergebnis Großverbraucher wie Fraport, weil deren Verbrauch dann von den teureren Anteilen befreit ist (www.rencker.de/tipps/strom.htm) . Verrückte Welt.

Und damit sind wir endlich bei Fraport. Der Luftverkehr des Frankfurter Flughafens verbläst jeden Tag im Nahbereich ungestraft fast 1 Million Liter Kerosin zu einem sich absenkenden Giftcocktail aus
lungen- und gefäßgängigem Ultrafeinstaub, der auch die Blut-Gehirnschranke durchdringt. Das ist mehr als der gesamte Bodenverkehr in Rhein-Main hervorbringt. Offiziell gibt es keinen Feinstaub durch Luftverkehr, denn es werden nach der Rechtslage die Partikel in molekularer Größe mit einem viel zu groben Netz nicht gefangen und das Nichts wird dann gewogen und nicht gezählt. Formaljuristisch gibt es also nichts, so wahr die Erde eine Scheibe ist. So ist es nicht verwunderlich, dass offizielle Messstationen auch 2017 immer noch nichts über den Gehalt an Ultra-Feinstaub aussagen. Angeblich gibt es am Boden nichts, also fast Luftkurort. Ich frage mich, was Triebwerke beim Start verblasen und was Wirbelschleppen auf den Boden peitschen. Im Wirbel ist zwangsläufig alles drin. Genau dies hat auch das Umweltamt der Stadt Frankfurt erkannt und veröffentlicht, dass den größten Anteil an den Emissionen des Verkehrs im Stadtgebiet Frankfurt im Jahre 2013 mit 42% der Luftverkehr hatte (www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/umweltamt-frankfurt.JPG) . Und eine Umweltstudie für das Europäische Parlament vom November 2015 kommt zu dem dramatischen Ergebnis, dass der weltweite Anteil des Luftverkehrs am Klimawandel im Jahre 2050 22% betragen wird (www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/20151201-faz-klimakonferenz.JPG).

Vor ca. zwei oder drei Jahren hat die
Mitarbeiter-Vereinigung der Fraport-Bodenverkehrsdienste bei der Betriebsratswahl die Belastung vor allem des Bodenpersonals thematisiert mit dem Slogan. „Bei Fraport stirbt man früher“. Solche Unangepasstheit hat natürlich zu einem Aufbegehren bei Fraport geführt. Die Mitarbeitervertretung wurde im Vorfeld der Wahl derart behindert, dass es dieser gelungen ist, eine Wiederholung der Wahl gerichtlich durchzusetzen mit eindrucksvollem Ergebnis (www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/20160307-FR-Betriebsrat-Vorfeld.pdf).

Von einer Vorfeld-Mitarbeiterin, weiß ich, wie wenig Fraport an seinem Menschenmaterial gelegen ist. Hierzu ein Zitat.
"Ich weiß seit Anbeginn meiner Tätigkeit, dass die Luft am Flughafen am schmutzigsten ist. Was soll ich dazu sagen. Es ist der größte Arbeitgeber in Rhein/Main. Wir wissen das alle.... Auf dem Vorfeld gibt es nur Gehörschutz....Bei uns ist die Luft explosiv.... " Zitat Ende! 

Aufsichtsbehörden wie Gewerbeaufsichtsamt oder die gesetzliche Unfallversicherung tauchen vor meinen Vorhaltungen ab. Reichlich befremdlich ist, dass Fraport nicht der Fach- Berufsgenossenschaft angehört, sondern als mehrheitlich volkseigener Betrieb bei der staatlichen Unfallkasse Hessen versichert ist. Das lässt schon ein Geschmäckle aufkommen. Und so verwundert es nicht, dass der Leiter des Technischen Aufsichtsdienstes der staatlichen Unfallkasse Hessen sich besonders erkenntnisresistent zeigt und ein Befassen mit der speziellen Problematik verweigert mit der Rechtfertigung, in den Unfallverhütungsvorschriften sei alles geregelt. Eben nicht. Da geht es durchaus um Werkstattluft aber nicht um die Luft, die Leute im Bereich laufender Triebwerke auf dem Rollfeld inhalieren dürfen. Wo Gehörschutz Pflicht ist, gibt es laufende Triebwerke mit entsprechender Abgasbelastung und das wird einfach geleugnet (www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/Unfallkasse.JPG) .

Nun noch ein paar Gedanken zum Klimawandel, den gerade der Flugverkehr mit seinen Emissionen in großer Höhe beschleunigt und damit zur menschgemachten Apokalypse in zunehmendem Ausmaß beiträgt. In den letzten hundert Jahren ist es im Durchschnitt nur ein armseliges Grad wärmer geworden. Also wozu aufregen, könnte man sich fragen. Ist doch fast nichts. So wenig hat auch hierzulande längst große Auswirkungen, wie z.B. häufige Starkregen und Tornados, denn die angestrebten 2 Grad Erwärmung lassen die Luft 14% mehr Wasserdampf aufnehmen.  Und Wasserdampf hat ein Energiepotenzial, als würde man Wasser um 539°C erhitzen. Und es gibt noch einen kollektiven Denkfehler. Wir sind geneigt, in Hundertereinheiten zu denken. Die Wettermaschine spielt sich aber in einem Verdunstungs-Temperaturfenster von vielleicht 30° ab, und da sind z.B. 2° in Wahrheit 7%.

Eine Auswirkung ist auch das dauerhafte Niedrigwasser des Rheins, denn die alpine Erwärmung liegt punktuell bei 3° bis 5° mit entsprechenden Auswirkungen auf das Wasserreservoir der Gletscher. Zunehmend werden traditionelle Bergwanderwege wegen häufiger Felsstürze auf Dauer gesperrt. Ganze Flanken brechen weg, weil diese nicht mehr vom Permafrost zusammengeklebt werden. Sicherlich gab es in geschichtlicher Zeit auch natürliche Schwankungen, aber nicht in dieser Rasanz. Vergessen wird auch die Abhängigkeit der Zivilisation von absolut stabilen Verhältnissen.

Das Klima ist eine Diva und ist schon ohne menschliches Zutun reichlich launisch, ohne dass ich jetzt über astrophysikalische Ursachen spekulieren will. Als Hauptursache für Schwankungen kommen vor allem große Vulkanausbrüchen in Frage, die sowohl Staub in große Höhen schleudern als auch Unmengen des Klimagases CO2 freisetzen und genau das tut die mobile Menschheit jetzt in großem Stil. 

Wie verheerend sich Klimaschwankungen auf die Zivilisation auswirken können, zeigt die geschichtliche Zeit mit Hungersnöten im 19. Jahrhundert nach den Ausbrüchen von Tambora und Krakatau und aktuell die Evakuierung der absaufenden Tuvalu-Eilande im Süd-Pazifik. Was eine Anreicherung der Atmosphäre mit dem Klimagas CO2 anrichten kann, wissen wir von großen Perm-Trias-Artensterben vor 250 Millionen Jahren. Damals gab es eine vulkanische Phase vor allem in Sibirien mit vor CO2 nur so brodelnden Magmaseen (https://de.wikipedia.org/wiki/Perm-Trias-Grenze#Vulkanismus). Der CO2-Anstieg führte primär zu einem Temperaturanstieg von ca. 5°. Das reichte für eine Kettenreaktion aus mit dem Ergebnis, dass alle Gewässer regelrecht verfaulten mit dem nahezu totalen Absterben von Fauna und Flora. Die Natur hat dann mit den verblieben Lebenskeimen wieder von vorne angefangen, die CO2-Überflutung per Fotosynthese langsam abgebaut und als Sedimente dauerhaft der Atmosphäre entzogen. Und diesen Säuberungsmechanismus drehen wir gedankenlos wieder um durch Verbrennen der Sedimente in Gestalt von Kohle, Öl und Gas. Wenn wir so weitermachen wie bisher, kriegen wir das Kollabieren der Temperaturstabilität wieder hin. Ganz unberechenbar wird die Freisetzung von in arktischen Regionen kältegebundenem Methanhydrat oder Veränderungen der Meeresströmungen, insbesondere des Golfstroms, der nachweislich schon einmal kollabiert war (http://www.flughafen-bi.de/Archiv/2017/2017_03_06_VCD-Flyer_Klima.pdf). Und neben unserer allgemeinen Hypermobilität ist der Luftverkehr zunehmend daran beteiligt, dazu noch in sensibler Höhe.

Und nicht vergessen will ich mein Lieblingsthema „Der Ton macht die Musik“. Der Mensch hört selektiv, und zwar nach dem Inhalt der Geräuschinformation -  und nicht nach dem physikalischen Schalldruck. So wird das laute Brausen eines Bergbachs nicht als störender Lärm erlebt – dieses wirkt eher als Wiegenlied. Hingegen wacht jede Mutter beim leisesten Wimmern ihres Kindes auf. Ein weiteres Beispiel ist das Kreischen der Kreide auf der Tafel, vergleichbar mit dem Warnschrei eines steinzeitlichen Wächters. Da bäumt sich alles auf. Das ist ein archaisches Gefahrensignal, das eine sofortige Reaktion erforderte, sei es Flucht oder Gegenwehr. Und in dieses Muster passt vor allem der Lande-Fluglärm mit Heulen, Jaulen, Kreischen. Dem kann sich kein Mensch entziehen. Das ist genetisch festgelegt und nicht abtrainierbar.

Lasst uns weiter ein Stachel im Hintern des Löwen sein und für eine Deckelung der Flugbewegungen eintreten – und damit für weniger Fluglärm, weniger Schadstoffe, weniger Gesundheitsgefährdung, weniger Klimaerwärmung und  weniger Schädigung unserer Lebensgrundlagen.

Hartmut Rencker, Mainz

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