Planungsgeschichte
Erläuterung zur "Demonstrativbaumaßnahme"
Zielsetzung der Siedlung
Baugebiet und Infrastruktur
Planung und Durchführung
Verkehrsystem
Art und Maß der baulichen Nutzung, Dichtewerte
 

Planungsgeschichte
 

1945 wurde Mainz durch die Zoneneinteilung der lebenswichtigen rechtsrheinischen Industrie- und Wohngebiete (flächenmäßig die Hälfte des Stadtgebietes) beraubt, so dass es ungünstige Startbedingungen für den Wiederaufbau, der im Krieg stark zerstörten Stadt gab.Die Wohnungsnot war Hauptthema. Viele Mainzer waren in Deutschland verstreut und wollten zurück in ihre Stadt. Dazu waren in erster Linie Wohnungen nötig, für deren Bau es Land zu beschaffen galt. Das Gebiet musste viele Hektar groß sein, die es in der städtischen Gemarkung jedoch nicht mehr gab.
Im Mai 1961 wurde auf der Stadtratssitzung der Antrag gestellt, anstatt eines historischen Festzuges zur 2000-Jahr-Feier der Stadt den Bau einer Jubiläumssiedlung durchzuführen. „Der Bau einer Mustersiedlung schafft einen bleibenden Wert, der auch in den kommenden Jahren das Andenken an die 2000-Jahr-Feier in eindrucksvoller Weise erhalten wird.“ Im Antrag war vorgesehen, das die Verwaltung ein geeignetes Gelände auswählt. Außerdem wurden Maßnahmen eingeleitet, um Sondermittel vom Bundeswohnungsbauministerium für den Bau einer Siedlung als Demonstrativbaumaßnahme zu erhalten.

Bei der Suche nach Gelände wurde zunächst an das städtische Gelände aus dem Ex-Jesuiten-Fonds und dem Welschnonnen- Schulfonds gedacht, das auf der Höhe von Drais liegt und im Mainzer Besitz war. Dort wurde dem Vorhaben keine Sympathie entgegen gebracht, denn es handelt sich um Ackerland guter Bonität (70 bis 80 Punkte) und sollte daher von der Bebauung ausgenommen bleiben. Daraufhin wurde von der Gemeinde Drais ein Gelände am Ober- Olmer Wald angeboten, das zwar landwirtschaftlich genutzt wurde, sich dafür aber weniger gut eignet. Daraufhin wurden 38 Hektar durch Kauf und Tausch von der Stadt erworben. Zusätzlich zu den 38 Hektar in der Draiser Gemarkung sollten gleichzeitig noch 60 bis 70 Hektar des Ober-Olmer Waldes zu dem neuen Stadtteil hinzu genommen werden. Eine große Schwierigkeit bestand darin, dass das neu vorgesehene Baugelände im Bereich der amerikanischen Abwehrwaffen im Ober- Olmer Wald lag. Das Gelände frei zu bekommen, erforderte mehrere Besuche beim kommandierenden amerikanischen General in Heidelberg.

Im Oktober 1961 wurde über die Finanzierung des Projektes nachgedacht und so kam der Gedanke auf, das man sich 62 Hektar im Ober- Olmer- Wald  von der Landesregierung Rheinland-Pfalz zur 2000-Jahr-Feier schenken lassen könnte. Für das Land waren sie eigentlich wertlos, für die Stadt Mainz hingegen eine große  Entlastung. Und so kam es, das am 23.06.1962 bei der 2000-Jahr-Feier bekannt gegeben wurde, das die Landesregierung der Stadt Mainz 62 Hektar Land im Ober- Olmer Wald kostenlos überträgt. Eine offizielle Nachricht vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Finanzen und Wiederaufbau überbrachte die Botschaft, dass das Land bereit ist 550 bis 600 in der Demonstrativbauweise zu realisierenden Wohnungseinheiten des Bauvorhabens Satellitenstadt zu fördern. Dies bedeutete, das zu den normalen jährlichen Wohnungsbau-Förderungsmitteln zusätzlich 900.000 DM gegeben wurden.

Zur Planung der Siedlung wurde vom Bauausschuss Mainz noch im Dezember 1961 ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben. Im Juli 1962 wurden bei diesem Wettbewerb zwei gleichwertige Preise an Reg.- Baudirektor Dipl.-Ing. Fritz Jaspert und Prof. Dr.- Ing. Karl Selg verliehen, mit der Empfehlung die Arbeiten der beiden Preisträger als Grundlage einer weiteren Bearbeitung zu verwenden. Die beiden Pläne wurden unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichtes zu einem gemeinsamen Planungsvorschlag zusammengefasst, so dass der Bebauungsplanentwurf im Januar 1963 fertig gestellt werden konnte.

Die Planung für die Jubiläumssiedlung war so gut wie abgeschlossen, als die Entscheidung zur Ansiedelung des ZDF fiel. Am 2.Mai 1963 wurde erklärt, dass das ZDF im zukünftigen Mainz- Lerchenberg angesiedelt würde. Während der städtebaulichen Bearbeitung der beiden Pläne, hatte die Stadt dem Zweiten Deutschen Fernsehen ca. 100 ha für die Errichtung des neuen Sendezentrums verkauft.  Die Fläche der geplanten Jubiläumssiedlung wurde somit um 50 ha verkleinert ( 1/3 der ursprünglich geplanten Fläche ) auf denen rund 1000 weitere Einfamilienhäuser hätten entstehen sollen. Zu einer Umarbeitung der Planung kam es aber nicht. Dies hatte zur Folge, dass das geplante Zentrum der Siedlung eine exzentrische Lage zur Wohnbebauung erhielt. 1964/ 66 wurden bei der Ausführung des Planes wesentliche Veränderungen des Erschließungskonzeptes vorgenommen. Entgegen die Empfehlungen des Preisgerichtes sind die einzelnen Siedlungsteile durch einen inneren Straßenzug unmittelbar miteinander verbunden worden. Ausgehend von diesem Ring werden die Teilflächen durch ein klares System von Wohnsammelstraßen und Wohnstraßen erschlossen.

Im Mai 1965 wurden die Bebauungspläne Lerchenberg- Mitte und -Süd rechtsverbindlich, im März 1966 der Bebauungsplan Lerchenberg- Nord Teil a.

Der erste Hochbauabschnitt wurde im September 1966 begonnen.
 
 

Erläuterung zur „Demonstrativbaumaßnahme“

Sinn und Ziel eines Demonstrativbauprogramms  ist es systematisch und über einen großen Zeitraum hinweg Erkenntnisse für eine möglichst rationelle Bauweise zu sammeln und diese Erkenntnisse, Erfahrungen und Fortschritte allen beteiligten Kreisen der Bauwirtschaft zu vermitteln. Das ursprüngliche Ziel, die Erprobung neuer Baumethoden, Baustoffe, Baukonstruktionen etc. wurde später ausgeweitet auf die Themen Architektur und Städtebau. Gesucht wird nach der Möglichkeit billig, gut und zweckmäßig zu bauen, nach neuen Wohnungstypen, optimalen Grundrissen und Wohnflächen, nach einer rationellen Baudurchführung, nach wirtschaftlicher Erschließung und einer sinnvollen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die Entgegennahme von zweckgebundenen  Bundessondermitteln verpflichtet die Bauherren nach eben diesen Grundsätzen für Demonstrativbaumaßnahmen zu arbeiten.

Zielsetzung

Die Planungen und Neugründungen der ersten Generation nach Kriegsende, zu denen Mainz-Lerchenberg gehört, sind geprägt von den städtebaulichen Idealen der Howard’schen Gartenstadt. Man orientierte sich zu gesünderem, hellerem, hygienischerem Leben und versuchte einen konfliktlosen Ablauf der sogenannten Lebensfunktionen zu gewährleisten. Die Stadt der örtlich getrennten Funktionen war die herrschende Philosophie und so entstanden reine Wohnstädte.
Lerchenberg sollte als selbstständiger Satellit 15000 Einwohnern als Lebensraum dienen. Es war nicht als Vorstadt gedacht, sondern als Teil der Stadt Mainz konzipiert. Die Siedlung stellt eine Einheit mit allen infrastrukturellen Einrichtungen ( Schulen, kulturellen Einrichtungen, Kirchen etc. ) dar. Die wichtigste Voraussetzung hierfür waren eine leichte Erreichbarkeit und gute Verkehrsverbindungen innerhalb der Siedlung. Die Planung wurde daher so durchgeführt, dass das Baugebiet an mehreren Punkten an große Zugangsstraßen angebunden wurde.
Die Bewohner sollten aus allen Schichten der Bevölkerung zusammengesetzt sein. Im Bebauungsplan sollten 60% Eigenheime und 40% Mehrfamilienhäuser vorgesehen werden. Der gegebene Landschaftscharakter sollte erhalten bleiben und in den Gesamtorganismus der Siedlung mit einbezogen werden.

Baugebiet und Infrastruktur

Das Baugebiet liegt 8 km südwestlich der Stadtmitte (auf der Landstraße 104 in etwa 15 Minuten und mit dem Bus in etwa 30 Minuten erreichbar), etwa 150 m über den am Rande der die Rheinebene umschließenden Anhöhen. Die Lage bietet einen Blick über die gesamte Innenstadt, die andere Rheinseite mit Wiesbaden und den Höhenzügen des Taunus. Umschlossen wird das ursprünglich teils bewaldete teils als Obstbaufläche genutzte Baugebiet von Wäldern und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Begrenzt wird das Gebiet im Südosten und Westen von zwei nach Mainz und in umliegende Gemeinden führenden Landstraßen, die zur verkehrsmäßigen Erschließung der neuen Siedlung ausgebaut wurden. Die Anlagen zur Ver- und Entsorgung wurden neu angelegt. Wegen der nicht idealen Entfernung zur Innenstadt wurde die Entwicklung eines eigenen gemeindlichen Lebens angestrebt.
Das Baugelände liegt in einem Bereich hoher Umwelt- und Luftqualität.

Planung und Durchführung

Die Planung entstand wie bereits erwähnt aus der Vermischung zweier Konzepte.
Jaspert sah eine Teilung des Lerchenbergs in 3 Teile vor. Es sollten Nachbarschaften mit einer zentral dichteren und höheren Bebauung und eine Kernzone entstehen. Innerhalb der Nachbarschaften sollten weitere kleine Nachbarschaften, die sogenannten Wohngruppen (eine Gruppe von Familien in nachbarschaftlicher Einheit) liegen. Diese sollen die Gemeinschaftsbildung und die Entstehung von sozialen Kontakten ermöglichen.
Gliederungsgrundlage für das Konzept von Selg sollten tragbare Distanzen sein. Auch er teilt den Lerchenberg in 3 Gebiete. Diese sollen jeweils einen Schulbezirk bilden.

Bei beiden Konzepten war ein Ortszentrum mit Laden- und Geschäftseinrichtungen vorgesehen. Diese sollen im räumlichen Zentrum der Siedlung liegen, um zu Fuß erreichbar zu sein. Auch die fußläufige Erreichbarkeit der Schulen und Kindergärten war berücksichtigt worden. Die Schulen sollten zentral liegen und durch separate Wege durch Grünzonen im inneren Bebauungsgebiet erreichbar sein.
Die Durchführung der Siedlung als Demonstrativbauprogramms verlangte eine Beschränkung auf  6 Haustypen. Als Ausgleich für die eingeschränkte Mitbestimmungsmöglichkeit der späteren Bewohner gab es Zuschüsse des Bundes, die die Baukosten reduzieren sollten. Pro Wohnung gab es 4000 DM an Bundesmitteln.
Die Hoheit bei der Ausführung lag bei der Stadt.
 

Verkehrssystem

Das Gelände wird durch Grünzüge (vorhandener Waldbestand ist erhalten geblieben) in mehrere Teile geteilt. Im ursprünglichen Entwurf des Bebauungsplanes waren nur Fußgängerverbindungen vorgesehen, bezüglich des Autoverkehrs waren die Bereiche voneinander getrennt und nur über die jeweils tangierende Landstraße erreichbar. Im Laufe der Projektbearbeitung wurde der ursprüngliche Entwurf, der nur Fußgängerverbindungen vorsah und die Bereiche im bezug auf Autoverkehr voneinander getrennt waren (nur über die tangierenden Landstraßen erreichbar) zugunsten von Fahrstraßenverbindungen aufgegeben.
Der Vorteil ist, das jetzt die Landstraßen, die überörtliche Bedeutung haben, nur an drei statt an bisher 6 Stellen angeschnitten werden und jetzt die Möglichkeit besteht ohne Belasten der Landstraßen mit dem Auto von einem Teilgebiet in das andere zu gelangen. Das Verkehrssystem fördert somit die Entwicklung eines eigenständigen gemeindlichen Lebens innerhalb der Jubiläumssiedlung. Die negative Begleiterscheinung ist jedoch, das egal in welchen Teil der Siedlung der Autofahrer will, er so früh als möglich die Landstraße verlässt, um in das interne Straßennetz einzubiegen. Das heißt, das die Wohnstraßen unnötig belastet werden und sich dieses erst ändert, wenn die Straßentangenten ausgebaut sind und zügigeres Fahren ermöglichen.
Ursprünglich waren die Trennung von Fußgänger und Verkehr gefordert, dieses wurde aber aufgegeben. Statt dessen wurde ein beruhigtes Verkehrssystem verwirklicht. Es gibt große Straßen und außer einer Erschließungstrasse fast nur Zufahrtswege oder Sackgassen, die nicht den ganzen Tag stark belastet sind. Außerdem werden die Straßen fast ausschließlich von Bewohnern genutzt.
In den Wohngruppen (dem Grundelement der Baustruktur) fahren gar keine Autos. Diese werden in den Garagenhöfen oder in der Zeile vor der Gruppe abgefangen. Den Bewohnern wird zugemutet die Strecke zum Haus zu laufen. Die Vorgabe war die maximalen Gehwege zum Auto bei 100m und bis zum Zentrum 5 Minuten einzuhalten.
 

Art und Maß der baulichen Nutzung, Dichtewerte

Es gibt einen hohen Anteil an öffentlichen Grünflächen, der aus der Anzahl und Größe der Grünflächen resultiert (22,8% der Gesamtfläche).
Die Verkehrsflächen machen 16% der Gesamtfläche aus. 58,6% verbleiben als Baufläche. 2,8% sind für sonstige Nutzung vorgesehen.
Die Siedlungsdichte ist mit 83 Einwohner je Hektar Gesamtfläche sehr gering.  Die GFZ liegt bei 0.48, die GRZ bei 0.18.