Frankfurter Rundschau
zum Scheitern des Nachtflugverbots

Bilanz der Situation

Das Nachtflugverbot wackelt
Im Regionalen Dialogforum wird immer häufiger über Ausnahmen gesprochen

VON PETER HANACK UND FRIEDERIKE TINNAPPEL

Der Streit um ein Nachtflugverbot auf dem Frankfurter Flughafen geht in eine neue Runde. Jetzt hält nicht einmal mehr der Bürgermeister von Raunheim, Thomas Jühe (SPD), ein Verbot ohne Ausnahmen für durchsetzbar.

Einen Tag vor der Fraport-Aktionärsversammlung am Dienstag hatte der Hessische Rundfunk Fraport-Vorstandsmitglied Stefan Schulte mit der Aussage zitiert, dass in den Verhandlungen über einen "Anti-Lärm-Pakt" auch die wirtschaftlichen Interessen der Airlines berücksichtigt werden müssten. "Wir brauchen ein Mindestkontingent an Nachtflügen", so Lufthansa-Sprecher Jan Bärwalde zur FR. Eine Zahl wollte er nicht nennen.

"Das Nachtflugverbot wackelt nicht", betonte dagegen Fraport-Kommunikationschef, Dieter Weirich. Sollten sich aber "die Kommunen selbst bewegen", werde der Flughafenbetreiber nicht auf dem Nachtflugverbot bestehen. Fraport hatte sich mehrfach zu einem Verbot bekannt.

Thomas Jühe, Vorsitzender der Fluglärmkommission, geht davon aus, dass "das Bundesverwaltungsgericht auch Flüge nach 23 Uhr für rechtens erachten" wird. Umso wichtiger sei es, An- und Abflugverfahren einzuführen, "bei denen die Region nicht aufwacht".

Schulte hatte angeführt, dass Flugzeuge höher anfliegen und steiler starten könnten, um die Umlandgemeinden zu entlasten. "Wir haben nichts gegen das Steilstartverfahren", versicherte Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS). Es müsse allerdings vom Bundesverkehrsministerium genehmigt werden.

Das Nachtflugverbot sei nur noch eine "Fata Morgana", sagte Offenbachs Stadtrat Paul-Gerhard Weiß (FDP). Schon heute werde von 22 bis 6 Uhr doppelt so oft geflogen wie im Jahr 2000. Beim Bau der Nordwest-Bahn steige die Zahl der Flüge über Offenbach um 50 Prozent. Da könne es die Stadt nicht akzeptieren, dass verschieden Maßnahmen zur Lärmminderung wie An- und Abflugwinkel und Nachtflugbeschränkungen "gegeneinander ausgespielt" würden. Offenbach will gerichtlich gegen den Bau der Nordwest-Bahn vorgehen.

Frankfurt hatte sich gegen geplante Nachtflüge ausgesprochen, will aber Ausnahmen zulassen. Für Flörsheim ist das Nachtflugverbot "nicht verhandelbar", so Erster Stadtrat Leo Fercher (parteilos). Wenn Lärmentlastung machbar sei, müsse dies umgesetzt werden und dürfe nicht zum Pokern um Nachtflüge dienen.

Nach Ansicht von Johann-Dietrich Wörner, Leiter des Regionalen Dialogforums, ist klar, dass ein Nachtflugverbot nur mit Ausnahmen möglich sei. Diese dürften allerdings nicht zur Regel werden.

Kommentar von Friederike Tinnappel:
Nachtflugverbot, das bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch: Da darf nachts nicht geflogen werden. Wenn im Zusammenhang mit Klimaschutz und Umweltzonen von Fahrverbot die Rede ist, weiß jeder Autofahrer: das Auto bleibt stehen, oder es droht eine Strafe.

In der Luftfahrt ist das alles ein wenig anders. Da startet ein Flugzeug auf einem anderen Kontinent der Welt mit üppiger Verspätung und kommt erst mitten in der Nacht in Frankfurt an. Landen lassen oder weiterschicken? Die Lufthansa behauptet, dass einige wenige Frachttransporte nur in der Nacht möglich sind. Zulassen oder verbieten?

Der Streit um ein konsequentes, absolutes Nachtflugverbot ist eigentlich schon entschieden: Es wird nicht kommen. Die Stadt Frankfurt will Ausnahmen zulassen, auch in den Umlandgemeinden gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass Ausnahmeregelungen akzeptiert werden. Und für den Leiter des Regionalen Dialogforums, Johann-Dietrich Wörner, ist sogar klar, dass ein Nachtflugverbot nur mit Ausnahmen möglich sein wird. Bleibt die spannende Frage, was ist eine Ausnahme und was die Regel.

Genau darüber wird jetzt im Regionalen Dialogforum verhandelt. Dort sitzen die Umlandgemeinden, der Flughafenbetreiber, die Lufthansa. Die hatte in der Vergangenheit schon damit gedroht, das Nachtflugverbot notfalls durch eine Klage verhindern zu wollen. Sie kann aber nicht sicher sein, ob das so auch gelingen würde. Die Rechtsunsicherheit schafft durchaus Kompromissbereitschaft - auch bei den Gegner des Flughafenausbaus.
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