Knallharte
Lobbyarbeit oder nur "Austausch"?
Luftverkehrswirtschaft
soll bei Fluglärmgesetz massiven Einfluss auf Ministerien ausgeübt haben/Jühe:
"Ein Skandal"
von Markus Lachmann
MAINZ Die Vorwürfe des WDR-Magazins "Monitor" sind hart -
Lobbyisten hätten mittlerweile eigene Zimmer in den Ministerien. Diese von
Unternehmen bezahlten "Leihbeamten" nähmen direkten Einfluss auf
Gesetzesvorhaben - etwa das neue Fluglärmgesetz.
Fraport weist die Darstellung, es beschäftige einen Mitarbeiter im
Verkehrsministerium, entschieden zurück. "Das Ministerium bedient sich
des Fachmanns am Flughafen", so Fraport-Sprecher Klaus Busch. "Wenn
eine Gesetzesvorlage gemacht wird und auf Sachverstand in irgendwelchen
Fraport-Papieren zurückgegriffen wird, ist das anders, als wenn Fraport aktiv
an Gesetzesentwürfen mitstricken würde." Im Übrigen sei es seit langem
bekannt, dass es besagten Fraport-Mitarbeiter gebe, der für die
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen und die Initiative
Luftverkehrswirtschaft arbeite.
"Austauschprogramm "Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas
Steg möchte in diesem Zusammenhang nicht von "Leiharbeitern"
sprechen. Vielmehr gebe es ein "Austauschprogramm" mit der
Wirtschaft. "Nach dem, was mir bekannt ist, sind das keine gewaltigen Größenordnungen",
sagt Steg auf die Frage, wie viel solcher Austausch-Mitarbeiter im Ministerium
arbeiteten. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) bestätigt, dass auch von ihr ein
Mitarbeiter im Bundesverkehrsministerium beschäftigt ist. "Das ist aber
kein Lobbyismus, sondern eine normale Vereinbarung, damit sich das Ministerium
Know-how sichert", betont DFS-Sprecher Axel Raab.
Die Kritiker des Fluglärm-Gesetzes fühlen sich bestätigt. "Wer den
Entwurf für das neue Fluglärmschutzgesetz liest und die geplante Erweiterung
des Frankfurter Flughafens auch nur im Ansatz kennt, dem springt in die Augen,
das wird eine Lex Fraport", erklärt der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen,
Winfried Heuser. Seiner Meinung nach sei auch in Hessen die Kontrolle der
Gesetze "längst in der Hand der Wirtschaft". So könne von den
Nachtflugbeschränkungen am Frankfurter Flughafen abgewichen werden - die
Ausnahmegenehmigungen erteilten zwei Fraport-Angestellte, die als Leihbeamte für
das hessische Verkehrsministerium arbeiteten. Das Ministerium in Wiesbaden
erklärte, laut Gesetz könnten die Luftfahrtbehörden die Aufgaben der
Luftaufsicht auf andere Stellen übertragen. "Von dieser gesetzlichen Möglichkeit
hat das Land Hessen seit mehreren Jahrzehnten Gebrauch gemacht und Bedienstete
der Fraport AG zu Luftsicherheitsbeauftragten bestellt", sagte
Ministeriumssprecher Clemens Christmann.
"Beratung stoppen"Nicht nur im Bundesverkehrsministerium soll
Lobbyismus betrieben worden sein. Nach Informationen des Raunheimer Bürgermeisters
Thomas Jühe soll ein Rechtsanwalt, der für die Luftverkehrswirtschaft
arbeitet, am 16. August im Bundesumweltministerium Vorschläge gemacht haben,
wie der Gesetzentwurf konkret ausformuliert werden soll. "Es ist ein
Skandal, dass ein sorgfältiges Abwägen von Interessen dadurch unterlaufen
wird, dass die Lobbyisten der Großunternehmen die vom Bundestag zu beschließenden
Gesetze selbst mitgestalten", sagt Jühe. Er fordert einen
"sofortigen Stopp der Beratung des Gesetzentwurfes" im Deutschen
Bundestag.
Es sei kein anrüchiges Verfahren, dass Ministerien sich Fachverstand von
Verbindungsleuten holten, sagt der Mainzer SPD-Bundestagsabgeordnete Michael
Hartmann. "Wenn dies dem Zweck dient, mehr Detailkenntnis zu erlangen,
ist das gut." Wenn die Beteiligung zugleich Beeinflussung eines
Gesetzgebungsverfahrens bedeute, sei das jedoch zu unterbinden. Gesetzgeber
sei aber der Bundestag und nicht Fraport. Der Staatssekretär, so Hartmann
weiter, habe klar erklärt, dass diese Verbindungsleute an keiner Entscheidung
zu Verordnungen und Gesetzesentwürfen mitgewirkt hätten. Wenn die
Informationen, ein Rechtsanwalt der Luftverkehrslobby habe aktiv
mitformuliert, jedoch stimme, "dann muss man ein Strafverfahren
einleiten".
Verwässert
Fraport-Lobby Lärmgesetz?
Eigene Büros in
Ministerien
lac. FRANKFURT
Vertreter der Luftverkehrswirtschaft sollen den Entwurf zum Fluglärmgesetz
massiv beeinflusst haben. Dies geht aus einem Beitrag des WDR-Magazins
"Monitor" hervor. So habe auch Flughafenbetreiber Fraport über
Jahre einen Mitarbeiter im Bundesverkehrsministerium beschäftigt.
Lobbyisten beraten nicht nur die Regierung, sie haben in den Ministerien sogar
eigene Büros, berichtet das Magazin. So arbeiteten im Verkehrsministerium
Mitarbeiter der Fraport AG (einen Tag pro Woche), des Flughafens Köln/Bonn,
der Deutschen Flugsicherung und des deutschen Aero Clubs. Dies geht aus der
Antwort von Verkehrs-Staatssekretär Achim Großmann auf eine Anfrage im
Bundestag hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Das Verkehrsministerium soll
nach Aussagen von Insidern den Entwurf des Umweltministeriums zum Fluglärmgesetz
zu Gunsten der Flughäfen verwässert haben. Nach Informationen des
Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Fluglärmkommissionen, Thomas Jühe,
soll ein Anwalt, der die Luftverkehrslobby vertritt, sogar an der Formulierung
des Gesetzesentwurfes mitgearbeitet haben. "Wenn das stimmt, muss man ein
Strafverfahren einleiten", erklärte am Freitag der Mainzer
SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. Thomas Jühe forderte den
"sofortigen Stopp der Beratung des Gesetzentwurfs" im Bundestag.
Fraport wies die Darstellung, es beschäftige einen Mitarbeiter im
Verkehrsministerium, als "falsch" zurück. Sprecher Klaus Busch erklärte,
ein Fraport-Mitarbeiter, der am Flughafen sitze, arbeite auch für die
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Diese berate das
Bundesverkehrsministerium. "Wir liefern nicht die Vorlagen für
Gesetzesentwürfe", sagte Busch.
Kommentar
von Markus
Lachmann zu Lobbyismus
Lückenlose Aufklärung
Als "Lex Fraport" haben Bürgerinitiativen und Umweltverbände immer
wieder den Entwurf der Bundesregierung zum Fluglärmgesetz bezeichnet. Damit
haben sie Recht, denn der Einfluss der Lobbyisten im Bundesverkehrsministerium
ist offenbar so groß, wie von vielen unterstellt. So hat nach der Aussage
eines Staatssekretärs ein Fraport-Mitarbeiter in der Bundesbehörde
gearbeitet. Der Flughafen-Betreiber bestreitet dies zwar, doch es ist
unerheblich, ob der Mann nun in Berlin oder in Frankfurt saß. Der Einfluss
des größten deutschen Flughafens auf das Ministerium lässt sich nicht von
der Hand weisen. Im Lichte der neuen Informationen wird jetzt viel deutlicher,
warum die Behörde von Stolpe, jetzt unter Führung von Tiefensee, den
Kollegen aus dem Umweltministerium derart die Hölle heiß machte. Doch das
alles ist noch lange nicht verwerflich - Lobbyismus ist in Deutschland ja
kein neues Phänomen. Auch ein Mitarbeiteraustausch zwischen Regierung und
Wirtschaft ist nicht unbedingt im Voraus zu verdammen. Der Einfluss von
Unternehmen in der Regierung wird dann zum Problem, wenn die Interessen des Bürgers
unter die Räder geraten. Bei dem Fluglärmgesetz muss es darum gehen, die
Gesundheit der Menschen im Rhein-Main-Gebiet zu schützen, und nicht den
Profit eines Unternehmens zu sichern. Sollten Vorwürfe stimmen, dass
Vertreter der Luftverkehrslobby aktiv an der Formulierung des Gesetzesentwurfs
mitgearbeitet haben, dann ist hier mit Fug und Recht von einem Skandal zu
sprechen. Die Bürger haben deshalb ein besonderes Recht auf lückenlose Aufklärung.
Stammen Passagen tatsächlich aus der Feder von Lobbyisten? Welche Rolle
spielt ein Münchener Anwalt in diesem Zusammenhang? Es sollten sich auch die
Bundestagsabgeordneten angesprochen fühlen. Denn diese müssen das Gesetz
verabschieden und verantworten.
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