AZ vom 21.10.2006

Knallharte Lobbyarbeit oder nur "Austausch"?

Luftverkehrswirtschaft soll bei Fluglärmgesetz massiven Einfluss auf Ministerien ausgeübt haben/Jühe: "Ein Skandal"

von Markus Lachmann

MAINZ Die Vorwürfe des WDR-Magazins "Monitor" sind hart - Lobbyisten hätten mittlerweile eigene Zimmer in den Ministerien. Diese von Unternehmen bezahlten "Leihbeamten" nähmen direkten Einfluss auf Gesetzesvorhaben - etwa das neue Fluglärmgesetz.

Fraport weist die Darstellung, es beschäftige einen Mitarbeiter im Verkehrsministerium, entschieden zurück. "Das Ministerium bedient sich des Fachmanns am Flughafen", so Fraport-Sprecher Klaus Busch. "Wenn eine Gesetzesvorlage gemacht wird und auf Sachverstand in irgendwelchen Fraport-Papieren zurückgegriffen wird, ist das anders, als wenn Fraport aktiv an Gesetzesentwürfen mitstricken würde." Im Übrigen sei es seit langem bekannt, dass es besagten Fraport-Mitarbeiter gebe, der für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen und die Initiative Luftverkehrswirtschaft arbeite.

"Austauschprogramm "Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg möchte in diesem Zusammenhang nicht von "Leiharbeitern" sprechen. Vielmehr gebe es ein "Austauschprogramm" mit der Wirtschaft. "Nach dem, was mir bekannt ist, sind das keine gewaltigen Größenordnungen", sagt Steg auf die Frage, wie viel solcher Austausch-Mitarbeiter im Ministerium arbeiteten. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) bestätigt, dass auch von ihr ein Mitarbeiter im Bundesverkehrsministerium beschäftigt ist. "Das ist aber kein Lobbyismus, sondern eine normale Vereinbarung, damit sich das Ministerium Know-how sichert", betont DFS-Sprecher Axel Raab.

Die Kritiker des Fluglärm-Gesetzes fühlen sich bestätigt. "Wer den Entwurf für das neue Fluglärmschutzgesetz liest und die geplante Erweiterung des Frankfurter Flughafens auch nur im Ansatz kennt, dem springt in die Augen, das wird eine Lex Fraport", erklärt der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, Winfried Heuser. Seiner Meinung nach sei auch in Hessen die Kontrolle der Gesetze "längst in der Hand der Wirtschaft". So könne von den Nachtflugbeschränkungen am Frankfurter Flughafen abgewichen werden - die Ausnahmegenehmigungen erteilten zwei Fraport-Angestellte, die als Leihbeamte für das hessische Verkehrsministerium arbeiteten. Das Ministerium in Wiesbaden erklärte, laut Gesetz könnten die Luftfahrtbehörden die Aufgaben der Luftaufsicht auf andere Stellen übertragen. "Von dieser gesetzlichen Möglichkeit hat das Land Hessen seit mehreren Jahrzehnten Gebrauch gemacht und Bedienstete der Fraport AG zu Luftsicherheitsbeauftragten bestellt", sagte Ministeriumssprecher Clemens Christmann.

"Beratung stoppen"Nicht nur im Bundesverkehrsministerium soll Lobbyismus betrieben worden sein. Nach Informationen des Raunheimer Bürgermeisters Thomas Jühe soll ein Rechtsanwalt, der für die Luftverkehrswirtschaft arbeitet, am 16. August im Bundesumweltministerium Vorschläge gemacht haben, wie der Gesetzentwurf konkret ausformuliert werden soll. "Es ist ein Skandal, dass ein sorgfältiges Abwägen von Interessen dadurch unterlaufen wird, dass die Lobbyisten der Großunternehmen die vom Bundestag zu beschließenden Gesetze selbst mitgestalten", sagt Jühe. Er fordert einen "sofortigen Stopp der Beratung des Gesetzentwurfes" im Deutschen Bundestag. 

Es sei kein anrüchiges Verfahren, dass Ministerien sich Fachverstand von Verbindungsleuten holten, sagt der Mainzer SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. "Wenn dies dem Zweck dient, mehr Detailkenntnis zu erlangen, ist das gut." Wenn die Beteiligung zugleich Beeinflussung eines Gesetzgebungsverfahrens bedeute, sei das jedoch zu unterbinden. Gesetzgeber sei aber der Bundestag und nicht Fraport. Der Staatssekretär, so Hartmann weiter, habe klar erklärt, dass diese Verbindungsleute an keiner Entscheidung zu Verordnungen und Gesetzesentwürfen mitgewirkt hätten. Wenn die Informationen, ein Rechtsanwalt der Luftverkehrslobby habe aktiv mitformuliert, jedoch stimme, "dann muss man ein Strafverfahren einleiten".


Verwässert Fraport-Lobby Lärmgesetz?

Eigene Büros in Ministerien

lac. FRANKFURT Vertreter der Luftverkehrswirtschaft sollen den Entwurf zum Fluglärmgesetz massiv beeinflusst haben. Dies geht aus einem Beitrag des WDR-Magazins "Monitor" hervor. So habe auch Flughafenbetreiber Fraport über Jahre einen Mitarbeiter im Bundesverkehrsministerium beschäftigt.

Lobbyisten beraten nicht nur die Regierung, sie haben in den Ministerien sogar eigene Büros, berichtet das Magazin. So arbeiteten im Verkehrsministerium Mitarbeiter der Fraport AG (einen Tag pro Woche), des Flughafens Köln/Bonn, der Deutschen Flugsicherung und des deutschen Aero Clubs. Dies geht aus der Antwort von Verkehrs-Staatssekretär Achim Großmann auf eine Anfrage im Bundestag hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Das Verkehrsministerium soll nach Aussagen von Insidern den Entwurf des Umweltministeriums zum Fluglärmgesetz zu Gunsten der Flughäfen verwässert haben. Nach Informationen des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Fluglärmkommissionen, Thomas Jühe, soll ein Anwalt, der die Luftverkehrslobby vertritt, sogar an der Formulierung des Gesetzesentwurfes mitgearbeitet haben. "Wenn das stimmt, muss man ein Strafverfahren einleiten", erklärte am Freitag der Mainzer SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. Thomas Jühe forderte den "sofortigen Stopp der Beratung des Gesetzentwurfs" im Bundestag.

Fraport wies die Darstellung, es beschäftige einen Mitarbeiter im Verkehrsministerium, als "falsch" zurück. Sprecher Klaus Busch erklärte, ein Fraport-Mitarbeiter, der am Flughafen sitze, arbeite auch für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Diese berate das Bundesverkehrsministerium. "Wir liefern nicht die Vorlagen für Gesetzesentwürfe", sagte Busch.


Kommentar von Markus Lachmann zu Lobbyismus  

Lückenlose Aufklärung

Als "Lex Fraport" haben Bürgerinitiativen und Umweltverbände immer wieder den Entwurf der Bundesregierung zum Fluglärmgesetz bezeichnet. Damit haben sie Recht, denn der Einfluss der Lobbyisten im Bundesverkehrsministerium ist offenbar so groß, wie von vielen unterstellt. So hat nach der Aussage eines Staatssekretärs ein Fraport-Mitarbeiter in der Bundesbehörde gearbeitet. Der Flughafen-Betreiber bestreitet dies zwar, doch es ist unerheblich, ob der Mann nun in Berlin oder in Frankfurt saß. Der Einfluss des größten deutschen Flughafens auf das Ministerium lässt sich nicht von der Hand weisen. Im Lichte der neuen Informationen wird jetzt viel deutlicher, warum die Behörde von Stolpe, jetzt unter Führung von Tiefensee, den Kollegen aus dem Umweltministerium derart die Hölle heiß machte. Doch das alles ist noch lange nicht verwerflich - Lobbyismus ist in Deutschland ja kein neues Phänomen. Auch ein Mitarbeiteraustausch zwischen Regierung und Wirtschaft ist nicht unbedingt im Voraus zu verdammen. Der Einfluss von Unternehmen in der Regierung wird dann zum Problem, wenn die Interessen des Bürgers unter die Räder geraten. Bei dem Fluglärmgesetz muss es darum gehen, die Gesundheit der Menschen im Rhein-Main-Gebiet zu schützen, und nicht den Profit eines Unternehmens zu sichern. Sollten Vorwürfe stimmen, dass Vertreter der Luftverkehrslobby aktiv an der Formulierung des Gesetzesentwurfs mitgearbeitet haben, dann ist hier mit Fug und Recht von einem Skandal zu sprechen. Die Bürger haben deshalb ein besonderes Recht auf lückenlose Aufklärung. Stammen Passagen tatsächlich aus der Feder von Lobbyisten? Welche Rolle spielt ein Münchener Anwalt in diesem Zusammenhang? Es sollten sich auch die Bundestagsabgeordneten angesprochen fühlen. Denn diese müssen das Gesetz verabschieden und verantworten.