Aufruf
von Dietrich Elsner, Mainz-Lerchenberg,
an Bundeskanzlerin Angela Merkel
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Bilanz
der Situation
Sehr gehrte Damen und Herren des Bürgerbüros von Frau Bundeskanzlerin Dr.
Angela Merkel,
ich bitte Sie diese e-mail nicht an das Verkehrsministerium weiter zu leiten,
sondern an das Büro von Frau Dr. Merkel, da sich meine Punkte rein auf ihre
Aussagen anlässlich ihres Besuches in Hessen beziehen. Das
Verkehrsministerium, besonders die Abteilung LS, ist in sehr starkem Maße von
ehemaligen bzw. derzeitigen Mitarbeitern der Luftverkehrsindustrie durchsetzt,
dass davon ausgegangen werden muss, das alle Informationen zum Luftverkehr,
ausschließlich auf die Bedürfnisse und Ziele der Luftverkehrsindustrie
ausgerichtet sind.
Sehr geehrter Frau Dr. Merkel,
in Ihrem Interview mit dem Hessischen Fernsehen am 20.07.2006 bezeichneten Sie
den Frankfurter Flughafen als großen "Job-Motor".
- Wissen Sie, dass ein großer Teil der Jobs, die heute am Frankfurter
Flughafen angesiedelt sind, lediglich aus dem Umland nach Frankfurt
umgelagert wurden?
- Wissen Sie, dass ein Großteil dieser Jobs, von Serviceunternehmen,
mit Niedriglohn-Arbeitsplätzen abgedeckt werden?
- Wissen Sie, dass der Frankfurter Flughafen mit seinen riesigen
Verkaufsflächen Umsatz aus den umliegenden Städten und Gemeinden
abzieht?
- Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze über den Flughafen, auf Grund
der Wettbewerbsverzerrung in den Transportkosten (ungerechten
Steuererleichterung, Subventionen und externe, auf die Anrainer und die
Allgemeinheit umgelegte Kosten), exportiert werden?
Sie sprechen weiter vom internationalen Drehkreuz für Deutschland....
- Wissen Sie, dass der Flughafen bereits heute ca. 55% reinen Umsteige-
und Umladeverkehr hat?
- Wissen Sie, dass weder die umsteigenden Menschen, noch die umgeladenen
Waren wirklich Wirtschaftskraft nach Frankfurt bringen?
- Menschen, die umsteigen, kaufen in Frankfurt nicht ein.
- Ware wird vorwiegend automatisch umgeschlagen. Fraport ist in dieser
Beziehung in einem permanenten Rationalisierungsprozess.
- Wissen Sie, dass die Drehkreuzfunktion mit dem Ausbau von 55 auf ca.
80% erhöht wird?
- Wissen Sie, dass dieser Ausbau so gut wie keine Auswirkung auf die
Wirtschaftsstruktur im Rhein Main-Gebiet haben wird?
- Es ist mir bekannt, dass ein Flughafen Einfluss auf die
wirtschaftliche Entwicklung einer Region hat. Ist aber der Mobilitätsbedarf
zu 100% gedeckt, hat eine Erweiterung des Angebotes keine Auswirkung
mehr. (Technische Universität Chemnitz, Friedrich Thießen/Michael
Jahn/Sindy Troll, Der Nutzen großer Flughäfen, WWDP 12/2005, ISSN
1618-1352)
- Eine der zentralen Schlussfolgerungen dieser Arbeit ist die Aussage,
dass ein HUB (Drehkreuz) nicht in ein dicht besiedeltes Gebiet gehört.
- Ein Stadtflughafen sollte sich ausschließlich auf den Quellverkehr
und die Notwendigkeiten der Wirtschaft konzentrieren.
- Geschäftleute müssen schnell und ohne Zeitverlust an Ihre Ziele
gelangen. Das geht nur im Punkt zu Punkt Verkehr. Mit Umsteigen geht
nur unnötige Zeit verloren.
- Diesen Quellverkehr deckt Frankfurt aber bereits zu über 200% ab.
- Eine Erweiterung kann daher nicht im überwiegenden öffentlichen
Interesse liegen.
- Für den Massenverkehr mit Hub-Funktion sollte es einen oder zwei
Flughäfen in dünn besiedelten Gebieten geben.
- Auch ein solcher Flughafen hat die selbe wirtschaftliche Auswirkung
auf die Arbeitsplätze in Deutschland, wie die Erweiterung des
Frankfurter Flughafens, würde aber nicht den Lebensraum von 5
Millionen Menschen zerstören.
- Wissen Sie, dass die Unternehmensberatung Ernst & Jung 20 deutsche
Großstädte miteinander verglichen hat und zu dem Ergebnis gekommen
ist, dass
- Frankfurt in der Verkehrsanbindung spitze ist,
aber mit der
- Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitnehmer,
- Lebensqualität
die letzten Plätze einnimmt?
An dieser Situation ist Fraport mit Sicherheit beteiligt, da niemand,
der es sich leisten kann, in eine Gegend zieht, die in so starkem Maße
von Fluglärm verseucht ist.
- Wissen Sie, dass bereits heute die Achse von Hanau bis Bingen mit ca.
400.000 Menschen von landenden Flugzeugen im Tiefflug überflogen werden
und dabei ca. 30 Kilometer vor der Landebahn ein reines Wohngebiete mit
Einzelschallereignissen mit bis zu 87 db(A) im Minutentakt überzieht?
- Das ist, als säßen Sie auf einer Hauptverkehrsstraße mitten in
Berlin. Da bricht jede Kommunikation ab. Die Entwicklung von Kindern
wird erheblich gestört.
- Wissen Sie, dass zusammen mit den startenden Flugzeugen fast das ganze
Rhein-Main-Gebiet mit 5 Millionen Menschen heute schon von einem Fluglärmteppich
überzogen wird? Ausgenommen sind nur wenige Ortschaften, z.B. wo die
Herren Koch und Bender wohnen.
- Wissen Sie, dass die Kommunen im Umkreis von 50 Kilometern um den
Flughafen heute schon große Probleme haben, Unternehmen mit hoch
qualifizierten Arbeitsplätzen zur Ansiedlung zu gewinnen?
- Wissen Sie, dass die Kommunen erheblich in ihrer Planungshoheit
eingeschränkt werden, da Flugrouten durch einfache Verordnung ohne Rücksicht
auf die Wohnbevölkerung gestaltet werden können?
- Wissen Sie, dass mit dem Ausbau der vierten Landebahn die Kapazität
von derzeit ca. 450.000 Bewegungen auf über 900.000 Bewegungen
erweitert wird und damit die Belastung der Bevölkerung mindestens
verdoppelt wird?
- Wissen Sie, dass auf Grund der derzeitigen Rechtssprechung die DFS und
das Luftfahrtbundesamt gezwungen sind Flugrouten zu definieren, welche
die Auslastung der baulichen Kapazität möglich macht.
- Wissen Sie, dass die DFS gesetzlich verpflichtet ist, dafür zu
sorgen, dass der Luftverkehr "sicher und flüssig" gestaltet
wird? Das bei einem engen Luftraum kein Platz mehr für den Lärmschutz
der Bevölkerung bleibt?
- Wissen Sie, dass zur Erreichung der derzeitigen und zur Vorbereitung
auf die zukünftige Kapazität der Warteraum für anfliegende Flugzeuge
von einer Höhenstaffelung in die Fläche gelegt worden ist? Damit
wurden Fluglotsen eingespart, da das Runtersprechen der Flugzeuge von
Warteebene zu Warteebene erheblich aufwendiger ist, als die Steuerung
des Frankfurter "Schweinhakens" (Zitat einer Lufthanspiloten).
Diese Optimierung erfolgt auf dem Rücken der Anrainer.
- Wissen Sie, dass das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht auf den
Flugverkehr angewendet wird?
- Wissen Sie, dass bei gleicher Lärmklasse große Flugzeuge lauter sein
dürfen als kleine?
- Wissen Sie das große Flugzeuge niedriger anfliegen als kleine, damit
die kleinen Flugzeuge nicht durch die Wirbelschleppe der großen
Flugzeuge vom Himmel geholt werden?
- Wissen Sie, dass Flugzeuge, auch die ganz großen, in einer Höhe von
300 Metern über Wohngebiete fliegen dürfen?
- Wissen Sie, dass diese Überflughöhen bei Start und Landung noch
unterschritten werden dürfen?
- Wissen Sie, dass regelmäßig Dächer durch die Wirbelschleppen beschädigt
werden und Dachziegel vom Dach fliegen?
- Wissen Sie, dass ca. 356 verschiedene Stoffe (u.a. Feinstäube) von
den Triebwerken der Flugzeuge ausgestoßen werden, von denen viele
karzinogen und gefäßgängig sind und neben Krebs auch Organ- und
Hirnerkrankungen hervorrufen können.
- Wissen Sie, dass permanenter Lärm durch die natürliche
Stressreaktion des Körpers, Herz- und Kreislauferkrankungen verursacht?
Sie sagten weiter, dass Sie durch das Infrastrukturbeschleunigungsgesetz für
zukünftige Bauvorhaben Maßstäbe gesetzt haben.
- Das wäre ja in Ordnung, wenn die Regeln der Raumordnung (Trennung von
Leben/Wohnen, Arbeiten und Verkehr) eingehalten würden und auch der
Flugverkehr danach auszurichten wäre. Für Neubau und erhebliche Änderungen
von anderen Verkehrstrassen sind in Bezug auf Lärmschutz gegenüber
reinen Wohngebieten klare Regeln geschaffen, die dazu führen, dass
mittel- bis langfristig die Lärmproblematik gelöst sein dürfte.
- Flugzeuge dürfen überall fliegen und ihren Lärm und ihre
Schadstoffe verbreiten.
- Würden für den Luftverkehr die selben Regeln wie für den Straßenbau
gelten, wäre ein solches Infrastrukturbeschleunigungsgesetz nicht
notwendig, da bereits die Planung den Schutz der Bevölkerung berücksichtigen
würde.
- Die langen Vorbereitungszeiten ergeben sich aus der unklaren
Rechtssituation und dem Versuch der Luftverkehrsindustrie den
gesetzlichen Spielraum möglichst weit zu ihren Gunsten auszunutzen.
- Die betroffene Bevölkerung wird sich dagegen zur Wehr setzen. Das
gilt natürlich ganz besonders, wenn die Planungsunterlagen, wie im Fall
der Planungsunterlagen zum Ausbau des Flughafen Frankfurt, falsch und
unvollständig sind.
- Wir brauchen kein Infrastrukturbeschleunigungsgesetz, sondern klare
gesetzliche Regeln, welche die Lebensinteressen der betroffenen Bevölkerung
angemessen berücksichtigen.
- Ganz im Gegensatz dazu wird durch dieses
Infrastrukturbeschleunigungsgesetz versucht das Recht der Bevölkerung
zu beschneiden. Das wird die Durchsetzung von Infrastrukturmaßnahmen
nicht erleichtern, da die Klärung strittiger Fragen lediglich von der
Anhörung in den Gerichtssaal verlagert wird.
Sie sagten weiter, dass ein solches Projekt, wie der Ausbau des Frankfurter
Flughafens, tausende und abertausende Arbeitsplätze schafft....
- Das mag ja sein, zumindest in der Bauzeit. Sie sind aber nicht die
Frau Bundeskanzlerin des Landes Hessen, sonder der gesamten
Bundesrepublik.
- Sie brauchen nicht 100.000 Arbeitsplätze sondern 4.500.000 in ganz
Deutschland.
- Arbeitsplätze werden sicher mit einem Ausbau entstehen, über die
Anzahl sind sich die Experten jedoch nicht einig.
- Herr Dr. Bender spricht von 100.000 katalytischen Arbeitsplätzen, die
auf Grund des Ausbaus des Frankfurter Flughafens, in ganz Deutschland
entstehen sollen. Leider war bisher noch niemand in der Lage zu sagen,
was denn überhaupt "katalytische" Arbeitsplätze sein sollen.
- Wie viele Arbeitsplätze auch immer durch einen Ausbau entstehen könnten,
sie würden überall entstehen, wo ausgebaut wird.
- Ich erinnere noch einmal an das Ergebnis der Chemnitzer Studie (s.o.):
- Ein Hub sollte in eine Gegend gebaut werden, wo möglichst wenig
Menschen durch den Flughafen gefährdet werden.
- Stadtflughäfen wie Frankfurt sollten sich auf den Quellverkehr
der Wirtschaft konzentrieren.
- Der wilde Wettbewerb der Flughäfen unter einander, die durch Länder,
Städte oder private Unternehmer betrieben werden, ist im Ansatz krank.
Er führt dazu, dass jeder Flughafen versuchen wird, der Größte zu
sein. Wenn Infrastruktur für Deutschland ernst gemeint sein soll,
bedarf es eines Deutschland weiten Flughafen-Konzeptes, das den Rahmen für
Ausbaumaßnahmen steckt. Teil dieses Konzeptes muss es sein, festzulegen
wie viele Flughafendrehkreuze, wo benötigt werden. Möglicherweise
sollte diese Planung sogar Europa weit abgestimmt sein.
Einer Ihrer Schlusssätze enthielt des Hinweis auf die Schnelligkeit, in der
neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.
- In Ordnung, da bin ich völlig bei Ihnen. Natürlich ist es nicht egal
ob ein Arbeitsloser in 5 oder 10 Jahren einen Arbeitsplatz bekommt. Doch
würde nicht so unrealistisch wie bei der Fraport geplant, wären die
Realisierungszeiten erheblich kürzer und ein HUB z.B. auf
Frankfurt-Hahn könnte längst in Betrieb sein.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich bitte Sie sehr herzlich, setzen Sie
sich in der Luftverkehrsgesetzgebung für eine Regelung ein, welche die
berechtigten Interessen der Bevölkerung rund um die Flughäfen in klaren
Regeln festschreibt. Ein Blick in das Grundgesetz wäre sicher hilfreich.
Solange sich die Gesetzgebung in diesem Bereich vorwiegend an den Bedürfnissen
der Luftverkehrsindustrie orientiert und die Rechte der Anrainer außer acht lässt,
wird es nicht wirklich zu einer Beschleunigung kommen, da dann die betroffene
Bevölkerung ihr Recht über die Gerichte durchsetzen muss.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüssen
Dietrich Elsner
Mitglied der Arbeitsgruppe Fluglärm Mainz-Lerchenberg
Mitglied der Initiativen Fluglärm in Mainz und Rheinhessen
Lenauweg 51
55127 Mainz
Tel.+Fax: 06131-71672
e-mail: dietrich.elsner@arcor.de
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