Mainzer Rheinzeitung vom 2.7.2005

Bei Hitze wird Mainz zugedröhnt
Höheres Flugaufkommen bringt auch mehr Landeanflüge über Mainz
Startende Großraumjets gewinnen langsamer an Höhe


Bei Ostwind leiden Mainzer unter dem Lärm von bis zu 650 landenden Jets täglich,  mit zunehmenderTendenz.

MAINZ. Massiv haben sich Mainzer an den zurückliegenden heißen Tagen über Fluglärm beschwert. Vor allem die bei Ostwind im Landeanflug über Mainz fliegenden Maschinen - die Zahl der Flugbewegungen in Frankfurt hat gegenüber dem Vorjahr um fast fünf Prozent zugenommen - „dröhnten die Stadt zu“ wie es der Vorsitzende der Gesellschaft für humane Luftfahrt, Friedrich Herzer, formuliert. 
   Besonders lärmintensiv empfinden die von Jetgedröhn Geplagten die sogenannten Eindrehvorgänge, bei denen Flugzeuge auf den Landeleitstrahl zukurven. Dabei müssen die Triebwerke mehr Schub leisten und sind entsprechend lauter. 
   Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS), die die An- und Abflüge koordiniert, ist „die Stadt Mainz bereits heute weitgehend von Eindrehvorgängen ausgenommen". Eindrehvorgänge von Norden zum Endanflug über die westlichen Stadtteile fänden nach wie vor nur in geringer Anzahl statt, sagt ein DFS-Sprecher und fügt hinzu, dass die weitaus überwiegende Mehrheit der Eindrehvorgänge in Bereichen deutlich westlich von Mainz erfolgen. Für Herzer ist das nichts weiter als eine „dreiste Falschaussage“. Das könne jeder, der sich die Zeit nehme, selbst beobachten. 
   In der Tat zeigt eine DFS-Flugspurenaufzeichnung vom 18. Mai 2005 (0 Uhr bis 23.59 Uhr) noch eine Anzahl von Eindrehspuren über nördlichen und südlichen Mainzer Bereichen. Sie macht aber ebenfalls deutlich, dass tatsächlich westlich der Stadt der Löwenanteil der Kurverei stattfand. 
   Herzers Forderung, die Maschinen östlich des Rheins zwischen Kastel und Hochheim auf den Leitstrahl eindrehen zu lassen und Mainz damit von Fluglärm zu entlasten, lehnt die Flugsicherung ab. „Eindrehvorgänge vom nördlichen Gegenanflug in Bereichen östlich des Rheins müssten aufgrund des geringen Abstands zum Aufsetzpunkt in deutlich geringerer Flughöhe erfolgen, als dies heute der Fall ist. Vor dem Hintergrund der Besiedlungsstruktur in diesem Bereich, etwa mit Blick auf Kastel und Hochheim, wäre eine solche Vorgehensweise mit unserer Verpflichtung, auf einen größtmöglichen Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken, nicht vereinbar“, begründet die DFS ihre Haltung. Zudem hat Mainz nach Meinung der Flugsicherung auch mit Blick auf die Bevölkerungsdichte „kein Recht auf eine derart eklatante Sonderbehandlung, nämlich die Stadt Mainz unter extremer Mehrbelastung anderer Gebiete noch mehr als heute von Eindrehvorgängen auszunehmen". 
   Bleiben die Mainzer aufgrund der Wetterlage von den bis zu 650 Landeanflügen täglich verschont, sorgen Richtung Westen startende Maschinen für mitunter heftige Einzelschallereignisse. Vor allem, weil es sich dabei in der Regel um Großraumjets (knapp 70 pro Tag) mit auf vollen Touren laufenden Triebwerkenhandelt.
Zwar führt die Abflugroute MASIR über den Rhein und nicht übers Stadtgebiet, doch wird den Piloten rechts und links der Ideallinie ein nach internationalen Vorgaben bemessener Spielraum eingeräumt. „Kleine Abweichungen (...) sind in gewissem Umfang, zum Beispiel durch Wettereinflüsse oder unterschiedliche Leistungsmerkmale der Flugzeuge, unvermeidlich", so die DFS. Fliegt eine Cockpitbesatzung über den Rand des zulässigen Korridors hinaus, droht ihr bei nachgewiesenem fehlerhaften Verhalten ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. 
   Ausnahmeregelungen gibt es beispielsweise bei heftigen Gewittern, wie sie am Mittwochabend über Mainz tobten. Gegen 22 Uhr kam es dabei zu einem Start-Überflug einer Boeing 747 (Jumbo-Jet), der viele Bürger aufschreckte. „Ich dachte, der würde hier gleich landen. So tief und so laut habe ich noch keine Maschine fliegen sehen“, schildert ein Augenzeuge seine Eindrücke, der den Flug vom Minigolfplatz mi Hartenbergpark aus verfolgte. Seitens der DFS hieß es dazu, die Maschine sei zwar wegen des Gewitters von der eigentlichen Route etwas abgewichen, aber keineswegs zu tief geflogen: „Es wurde kein Fehlverhalten des verantwortlichen Piloten festgestellt.“
Helmut Oesterwinter

Hintergrund
Mindestflughöhe 1100 Meter

Bei sommerlicher Hitze ist die Luft dünner und deshalb nicht so tragfähig. Die oft schweren und für den Weg über den Nordatlantik oder auch nach Fernost vollgetankten Großraumjets gewinnen in dieser Luft weniger Auftrieb. Ein längerer Steigflug bis zur angestrebten Reiseflughöhe ist die Folge. Über Mainz ist eine Mindesflughöhe von 3600 Fuß (ca. 1100 Meter) festgelegt. Diese Höhe erreichen die Flugzeuge nach Auskunft der Deutschen Flugsicherung auch bei hochsommerlichen Temperaturen. Bei kühler Witterung fliegen die Jets üblicherweise schon ein Stück höher. 

unten:
Die 24-Stunden-Flugspuraufzeichnung der Deutschen Flugsicherung vom 18. Mai 2005: Deutlich sind die roten Spuren der auf den Landeleitstrahl eindrehenden Maschinen über Mainzer Gebiet und westlich davon zu erkennen. Die blauen Spuren stammen von abfliegenden Flugzeugen.

 

Anmerkung der ÖDP-Lerchenberg
...und es wird noch viel schlimmer kommen. Der Nordwest-Landekorridor wird mittig über den Lerchenberg führen, dazu noch 60 -100 Meter niedriger wegen des 3 km näher an Mainz liegenden Aufsetzpunktes. Dazu kommt bei Westwind der neue Altlantikabflug. Und langfristig wird es die Hölle für die gesamte Region, denn weitaus bedrohlicher als der Bau der Riesenhalle ist deren Platzierung. Die von Naturschützern geforderte Verlegung auf das frei werdende US-Gelände scheitert an dem geplanten neuen Terminal Süd, das in seiner Dimension einen eigenen Großflugplatz herausfordert. Damit ist der Einstieg in den weiteren Bau von zwei Südbahnen eingeleitet, denn das Terminal Süd steht in keiner Beziehung zur weit entfernten Nordwestbahn. Dieses Ziel hat Fraport erst im September 2004 verdeckt erklärt mit der Forderung, der Flugplatz müsse zum Mega-Hub ausgebaut werden, um im Kreise der weltgrößten Plätze bestehen zu können, andernfalls werde Fraport seine Bedeutung verlieren und in die Provinzialität zurückfallen.

Und schon jetzt fordern Fluggesellschaften die Privilegierung des Flugverkehrs bei künftigem Energiemangel, weil es keine Energiealternative gibt.

Hartmut Rencker
Ortsbeiratsmitglied

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