Wiesbadener Kurier vom 16.6.2005
Auch in der Tabuzeit wird gelandet
Bürgerinitiative beklagt wachsende nächtliche Störungen / Ministerium widerspricht

Für einnächtliche Landung auf dem Frankfurter Flughafen muss für zivile Flüge meist eine Ausnahmegenehmigung eingeholt werden. Die Regelung soll die Bürger vor Fluglärm schützen.
dpa

WIESBADEN Flugbeschränkungen sollen die Nachtruhe der Flughafen-Anwohner schützen. Doch sogar in der Tabuzone zwischen ein und vier Uhr morgens kommt es immer wieder zu Landeanflügen über dem Rhein-Main-Gebiet. Viel zu häufig, klagen Lärmgeplagte.

von Claudia Nauth

"Das ist einfach skandalös", ärgert sich die Bürgerinitiative Widema. Sie kritisiert vor allem das hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, das ihrer Meinung nach viel zu viele Ausnahmegenehmigungen für nächtliches Landen auf dem Rhein-Main-Flughafen erteilt. Seit Anfang des Jahres werde das Nachtlandeverbot in der Kernzeit zwischen ein und vier Uhr morgens regelmäßig verletzt. Allein im April kam es laut Karl Heinz Schenk zu 109 Landungen in diesem Zeitraum. Der Landesregierung seien "Ballermänner" auf dem Rückweg von Mallorca offensichtlich wichtiger als die Schlaf suchenden Bürger im Umland des Flughafens, heißt es in einer Widema-Erklärung.

Einen Großteil der April-Flüge hätte die Luftaufsichtsbehörde allerdings gar nicht verhindern können. Wie Ministeriumssprecher Clemens Christmann erläutert, unterliegen Flüge der amerikanischen Streitkräfte keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Tageszeit. Was dazu führte, dass im April im betreffenden Zeitfenster 42 militärische Flüge auf der Airbase landeten und dazu noch einmal 43 zivile Flüge im Auftrag des US-Militärs, für die ebenfalls keine Sondererlaubnis eingeholt werden muss.

Für 20 weitere zivile Flüge erteilte die Luftaufsichtsstelle eine Ausnahmegenehmigung. In vier Fällen sei wegen einer geringfügigen Überschreitung des zeitlichen Rahmens darauf verzichtet worden, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren anzudrohen, erläuterte Christmann weiter. Die verantwortlichen Piloten müssten bei gröberen Verstößen bis zu 500 Euro aus eigener Tasche zahlen. Außerdem sorge ein Ordnungswidrigkeitsverfahren für "unangenehmen Wirbel" in einer Fluggesellschaft.

Mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren droht jetzt auch die Bürgerinitiative Widema. Sie fordert vom Ministerium darauf zu achten, dass die Nachtflugbeschränkungen für den Frankfurter Flughafen eingehalten werden. Das hessische Verkehrsministerium kann den Vorwurf zunehmender Nachtlandungen allerdings nicht nachvollziehen. 2004 seien insgesamt 293 Genehmigungen erteilt worden, was etwa 0,8 pro Nacht entspreche. 2005 habe sich mit einem Durchschnitt von 21 Ausnahmegenehmigungen pro Monat bislang ähnlich entwickelt.

Den im Schlaf gestörten Bürgern ist aber jede einzelne Ausnahmegenehmigung eine zu viel. Sie akzeptieren nicht Begründungen wie "verspätungsbedingt" oder "aus humanitären Erwägungen", was bei unzumutbaren Härten für Passagiere und Besatzungen zum Tragen kommt. Auch Beeinträchtigungen von Tiertransporten können den Angaben zufolge eine Ausnahmegenehmigung begründen.

Nach dem geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens soll nach dem Willen der hessischen Landesregierung mit einer drastische Verschärfung der Nachtflugbeschränkungen allerdings mehr Ruhe einziehen. Die Widema warnt bereits jetzt davor, die Pläne mit Ausnahmen zu verwässern. "Ein modifiziertes Nachtlandeverbot, wie es von der Lufthansa gewünscht und befürwortet wird," werde nach einem Ausbau nichts wert sein.

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